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Wie viel kostet ein Flug?


Manche Tickets gibt es für weniger als zehn Euro pro Strecke, andere Plätze in der gleichen Maschine kosten das Zehn- oder Zwanzigfache. Wie derartige Preisunterschiede zustande kommen, erklärt Luftfahrtexperte Prof. Dr. Brützel anhand eines Beispiels.

Fußballexperten für Flugticketpreise

„Man muss zunächst wissen, dass die Ticketpreise nichts mit den Kosten zu tun haben, die bei einem Flug entstehen“, erklärt Prof. Dr. Christoph Brützel. „Bei den Airlines basieren die Preise darauf, was einzelne Kunden bereit sind zu zahlen. Wann sie einen Sitzplatz auf dem jeweiligen Flug zu welchem Wert anbieten, errechnen die Anbieter anhand vieler Daten.“ Bei der Lufthansa kümmert sich darum beispielsweise eine Abteilung mit über 350 Angestellten. Unmengen an Informationen werden automatisch analysiert: Wie groß ist die Nachfrage für spezielle Flüge, wie waren Passagierzahlen am gleichen Tag in den vergangenen Jahren, stehen Schulferien, Feiertage oder Messen im Kalender? Selbst Spielpläne von publikumsstarken Sportarten wie Fußball und Olympiaden werden berücksichtigt. Die ersten Analysen übernehmen Computer. Angestellte überprüfen die Vorschläge anschließend. Bei einigen Airlines arbeiten sogar Fußballexperten an den Tickettarifen rund um die Spielpläne in Top-Ligen und von großen Turnieren. „Ziel der Anbieter ist es, immer den höchstmöglichen Preis für die jeweiligen Sitzplätze zu ergattern“, erklärt Brützel. „Noch komplizierter wird es, wenn der Ticketpreis für eine Umsteigeverbindung auf mehrere Sitzplätze aufgeteilt werden muss.“

„Wer günstige Tickets möchte, bucht am besten möglichst lange im Voraus", Prof. Dr. Brützel. 

„Flugtickets können nur deshalb sehr günstig angeboten werden, weil bei jeder Airline auch Reisende buchen, die wesentlich mehr bezahlen als der Durchschnittspassagier“, erklärt Brützel. „In der Regel werden die günstigsten Buchungsklassen zuerst angeboten, und je voller das Flugzeug wird, desto teurer werden die Tickets.“ Geschäftsreisende kaufen beispielsweise oft relativ kurzfristig, sind zeitlich nicht flexibel und deshalb bereit höhere Preise zu zahlen. „Wer günstige Tickets möchte, bucht am besten möglichst lange im Voraus und zu Zeiten, die weniger gefragt sind“, erklärt Brützel.

Ein Umlauf kostet fast 25.000 Euro

„Wenn Sie fliegen, bewegen Airlines ein ganzes Flugzeug. Viele Kosten, die dabei entstehen, sind nicht abhängig davon, wie viele Sitze belegt sind. Deshalb sind für Anbieter grundsätzlich volle Maschinen wünschenswert“, erklärt Brützel. „Andererseits verursacht jeder zusätzliche Passagier an Bord auch Kosten. Viele Laien denken, dass jeder umgesetzte Euro für die Airline ein gewonnener ist. Das stimmt aber nicht“, erklärt der Luftfahrt-Management-Professor.

Nimmt man einen Beispielumlauf von Stuttgart nach Palma de Mallorca und wieder zurück in die Landeshauptstadt, durchgeführt mit einem circa zehn Jahre alten Airbus A320 mit 180 Sitzplätzen von Stuttgart nach, so fallen folgende Kosten an: Bei einer Auslastung von neunzig Prozent, das entspricht 162 Reisenden an Bord, entstehen ein Drittel aller Aufwendungen direkt durch die Beförderung der Passagiere. Das sind zusammen fast fünfzig Euro pro Kopf. Davon gehen rund achtzig Prozent für Steuern wie die Luftverkehrsabgabe und die Gebühren für Sicherheitskontrollen an die öffentlichen Kassen und die Airports. Außerdem entsteht beim Flug gewichtsabhängig pro Passagier ein Mehrverbrauch von rund drei Litern Treibstoff je Flugstunde, für den Beispielumlauf STR-PMI-STR kostet das in etwa 11 Euro.

Beispielhafte Kostenstruktur eines Fluges anhand der Berechnung von Luftfahrt-Experte Prof. Dr. Christoph Brützel.
Ein Ticket im Schnitt: 160 Euro
Der günstigste Monat für einen Trip von Stuttgart nach Palma de Mallorca ist September. Das analysierte die Reisesuchmaschine Momondo in ihrer „Annual Flight Study“.

Unabhängig von der Passagierzahl sind die flugabhängigen Kosten, die immer anfallen, wenn eine Maschine abhebt: Start- und Landeentgelte, Lärm- und Emissionsgebühren, die Flugzeugabfertigung (Groundhandling), Flugsicherungsgebühren und Treibstoffkosten machen rund 45 Prozent der gesamten Betriebskosten aus.

Außerdem fallen operative Kosten an. Diese schlagen selbst dann zu Buche, wenn die Maschine gar nicht abhebt. Dazu zählen beispielsweise die Kapitalkosten – also Zinsen und Abschreibungen für die Flugzeuge. Außerdem müssen Crews sowie das Personal für Instandhaltung und Wartung bezahlt werden.

Laut den Berechnungen des Experten entstehen für die Airline alles in allem Betriebskosten von fast 25.000 Euro für den beispielhaften Umlauf. Sollen dann auch noch die Aufwendungen einer schlanken Administration gedeckt werden, kommen weitere fünf Prozent hinzu. Die Gesellschaft verdient bei der beispielhaften Kalkulation also erst dann Geld, wenn ein Ticket von Stuttgart nach Palma und zurück im Schnitt mehr als 160 Euro einbringt. Gleichzeitig kann es für den Anbieter nützlich sein, Tickets für fünfzig bis 160 Euro zu verkaufen. „Wenn ein Reisender aber für einen Hin- und Rückflug von Stuttgart nach Palma de Mallorca weniger als fünfzig Euro zahlt, muss die Airline drauflegen, sofern es ihr nicht gelingt, die Lücke durch Zusatzverkäufe an Bord oder sonstige Nebenerlöse zu schließen“, erklärt Brützel. „Es wäre dann eigentlich günstiger, den Platz freizulassen.“

Warum gibt es Tickets für 9,90 Euro?

„Die in den Suchmaschinen im Internet ausgewiesenen Ticketpreise spiegeln nicht die Kosten wieder und beziffern auch meist nicht die Endpreise“, sagt Brützel. „Wenn beispielsweise ein Ticket für 9,90 Euro im Markt ist, dann setzt die Airline darauf, über Zusatzverkäufe wie Sitzplatzreservierung, aufzugebendes Reisegepäck und Catering an Bord mit dem Passagier dennoch Geld zu verdienen.“

Dem aktuellen Unternehmensbericht der Fluggesellschaft Ryanair kann man beispielsweise entnehmen, dass im Jahr 2018 rund ein Drittel aller Erlöse durch Zusatzverkäufe generiert wurden. Geht es nach Geschäftsführer O’Leary, soll dieser Anteil zukünftig noch größer werden. "Kostenlose Tickets sind das Ziel“, sagte er in einem Handelsblatt-Interview. Und der extrovertierte Airline-Chef erklärt auch, wie er das finanzieren will: „Snacks während des Fluges, Internet, Werbung – wo immer es möglich ist. Bereits jetzt machen Zusatzleistungen rund dreißig Prozent des Gesamtumsatzes aus. Kostenlose Tickets werden wir vielleicht nie erreichen, aber das ist zumindest unser Ziel", so O‘Leary. Großes Vorbild des Iren ist dabei die US-Amerikanische Billigairline Spirit, die ungefähr die Hälfte ihres Umsatzes durch Zusatzverkäufe generiert. Der Trend geht also dahin, dass die Tickets zwar günstig zu haben sind, aber Airlines versuchen an den Passagieren Geld zu verdienen.

Michael O’Leary machte aus einer kleinen Regionalfluggesellschaft die zweitgrößte Airline Europas: Ryanair.
Rabatte für emissionsarmes Fliegen

Am Stuttgart Airport gelten ab Juli 2019 für Starts und Landungen neue Preise. In der neuen Entgeltordnung für die Airlines werden für leisere Flugzeugtypen günstigere Gebühren fällig, während für lautere Flugzeuge deutlich höhere Preise gelten. Flugbewegungen in den Tagesrandzeiten, also nach 22 Uhr, werden mindestens doppelt so teuer als bisher. Flugzeuge mit elektrischen Antrieben werden zukünftig ein Jahr lang gratis in Stuttgart landen dürfen. Darüber hinaus wird der Einsatz von alternativen Treibstoffen gefördert. Ziel der strategischen Anpassung ist es, den Airlines langfristige Anreize für die Anschaffung besonders leiser und klimafreundlicher Flugzeuge zu setzen. Mit den Entgelten finanziert der Flughafen seine Infrastruktur wie Flugbetriebsflächen und Terminals.

Mehr Informationen rund ums klimabewusste Reisen gibt es unter stuttgart-airport.com in der Rubrik fairport STR

Prof. Dr. Christoph Brützel

Prof. Dr. Christoph Brützel ist seit 2009 Professor für Luftverkehrsmanagement an der internationalen Hochschule Bad Honnef. Dort unterrichtet er u.a. Airline-Management, Controlling, Finanzmanagement, Vertrieb und E-Commerce und Flugsicherungsmanagement. Er forscht zu aktuellen Themen im Luftverkehr und Berät Fluggesellschaften, Flughäfen und Flugsicherungsorganisationen. Zuvor war er Geschäftsführer der LTU-Fluggesellschaften und in verschiedenen leitenden Funktionen bei der Lufthansa AG tätig, unter anderem als Controller der Airline. Mehr Infos zu Professor Brützel gibt es unter bruetzel.com.


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  • Simon Kirchgeßner
  • 06/19