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Die wertvollsten Minuten


In der Rushhour herrscht Hochbetrieb am STR. Start- und Landerechte sind besonders frühmorgens und in den Abendstunden begehrt. Welche Airlines diese sogenannten Slots bekommen, wird lange im Voraus geplant.

„Bis Jets einer Fluggesellschaft auf neuen Strecken starten, dauert es Monate, manchmal sogar Jahre“, sagt Sonja Schmaderer. „Deshalb wird die erste Ankunft auch meistens zelebriert“, ergänzt sie. Kürzlich wurde in Stuttgart beispielsweise eine Finnair-Maschine mit einer Wasserdusche von der Flughafen-Feuerwehr begrüßt. Am Gate gab es für die Passagiere die traditionelle Erstflugtorte, angeschnitten von der Flughafen-Geschäftsführung und Vertretern der Airline. Schmaderer ist Marketing-Managerin am Stuttgarter Airport und analysiert gemeinsam mit den Netzwerkplanern der Fluggesellschaften, welche Strecken sinnvoll und gefragt sind. „Mit Finnair waren wir schon lange in Kontakt“, sagt sie. „Jetzt hat es endlich geklappt und besonders, weil die Umsteigeverbindungen nach Asien top sind, freuen sich viele Passagiere darüber.“

Sobald sich eine Airline dazu entschieden hat, ein neues Ziel anzufliegen, wird ein Zeitfenster für Start und Landung benötigt, ein sogenannter Airport-Slot. Dafür wendete sich Finnair bereits mehrere Monate vor dem ersten Touchdown in Stuttgart an den deutschen Flughafenkoordinator Armin Obert und dessen Team. Sie haben ihr Büro in Frankfurt, dort werden die begehrten Zeitnischen gemanagt. In Stuttgart, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München, Berlin-Schönefeld und -Tegel sind die Slots in Deutschland besonders knapp und begehrt. Vor allem zur Rushhour in den frühen Morgen- und den Abendstunden.

„Ich versuche Airlines zu überzeugen, Stuttgart mit neuen Zielen zu verbinden“, sagt Sonja Schmaderer, Marketing-Managerin am STR.
Das gute alte Großvaterrecht
Sie sorgen dafür, dass sich keine Maschine zu weit aus dem Zeitfenster lehnt: Christoph Meier, Matthias Lindner, Jörg Dralle und Alexander Braun (v.l.n.r).

In Europa werden die Zeiten nach festgeschriebenen Kriterien verteilt. „Airlines, die Slots erhalten, müssen strenge Regeln befolgen: Die Zeiten müssen beispielsweise zu mindestens achtzig Prozent genutzt werden – diese Vorschrift nennen wir use-it-or-lose-it“, erklärt Alexander Braun, Verkehrsplaner am STR. „Wer sich daran hält, darf das begehrte Zeitfenster behalten – das besagt das sogenannte Großvaterrecht. Gibt es neue Slots, werden diese zu mindestens fünfzig Prozent an Airlines verteilt, die auf dieser Strecke bisher nicht geflogen sind, so wie beispielsweise Finnair von Helsinki nach Stuttgart.“

Auf diese Weise läuft es in allen europäischen Ländern ab. Slots können außerdem zwischen Fluggesellschaften getauscht oder von einer Strecke auf eine andere übertragen werden. In den USA gelten allerdings andere Regeln. „Bei Auktionen werden dort die Zeitnischen gehandelt. Hier zeigt sich regelmäßig, wie wertvoll Slots sein können – die begehrtesten erzielen Preise von mehreren Millionen US-Dollar“, erklärt Braun.

Warum sind die Morgen- und Abendstunden so beliebt?

Ob Geschäftsreisende oder Urlauber: Am liebsten fliegen Passagiere früh am Morgen ab und haben am Zielort den ganzen Tag zur Verfügung. Die Airlines richten ihr Angebot an dieser Nachfrage aus und beantragen daher oft frühe Slots für Starts und späte für die Landung – wenn sie abends wieder an ihren Heimatflughafen zurückkommen. Deshalb ist zu diesen Zeiten in den Lufträumen und auf den Runways der Airports besonders viel Betrieb.

Erst global, dann lokal

Sobald alle Länder ihren Plan erstellt haben, beginnt die internationale Abstimmung. Jedes Jahr im Juni und November treffen sich auf einer großen Konferenz der International Air Transport Association (IATA) die Planer der ganzen Welt. Wenn die Ankunft- und Abflugzeiten global feststehen, beginnt an den einzelnen Airports die Organisation. „Die Daten des Flughafenkoordinators werden mit den Informationen der Airlines und zahlreichen Buchungsplattformen abgeglichen und im flughafeneigenen Planungssystem zusammengeführt“, erklärt Braun. „Insgesamt gibt es am STR pro Jahr rund 130.000 Flugbewegungen.“ Von den Standzeiten und Parkpositionen der Maschinen bis zum Check-in-Schalter für die Passagiere: Aus Zahlen- und Buchstabencodes, die für Laien wie eine Geheimsprache aussehen, strickt Braun mit seinem dreiköpfigen Team den Flugplan, das datenbasierte Herz des Airport-Betriebs. „Das ist wie ein riesiges Puzzle, der einzige Unterschied: Wir sind nicht fertig damit, wenn alle Teile einmal zusammengefügt sind“, erklärt Verkehrsplaner Matthias Lindner. „Bis zum Start jeder einzelnen Maschine kann sich nämlich immer noch etwas ändern. Mithilfe der Daten des Flughafenkoordinators und der Airlines aktualisieren wir den Flugplan deshalb kontinuierlich“, sagt er.

Neue Strecken und Airlines kommen aber meist pünktlich zum Flugplanwechsel, jeweils im März und Oktober. Dann steht fest, wer eine neue Nische ergattert hat. Und während Passagiere die Wasserdusche sehen und im Gate den Kuchen snacken, beginnt sie im Hintergrund erneut: Die Jagd nach frisch frei gewordenen Lücken, den besten Slots.

Herzlich willkommen! Die Stuttgarter Flughafen-Feuerwehr begrüßte die Finnair-Maschine auf ihre Lieblingsweise: mit jeder Menge Wasser.
Video: Wie neue Airlines zum STR kommen

  • Stories STR
  • Simon Kirchgeßner
  • 05/18