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Wie chartert man eine Antonow?


Wenn sie unterwegs sind, dann stets in besonderer Mission: Die Maschinen des Typs Antonow An-124 gehören zu den größten Transportflugzeugen der Welt. Regelmäßig sind sie auch in Stuttgart zu Gast, Joachim Wittner kümmerte sich kürzlich ums Chartern des Riesenjets.

Es ist ein imposanter Anblick, wenn die Antonow An-124 Richtung Runway gleitet – kein Wunder also, dass sich meist viele Luftfahrtfans auf der Besucherterrasse tummeln, wenn sie im Anflug ist. Wann sie eintrifft, erfahren die Spotter erst sehr kurzfristig. Denn das Transportflugzeug wird nur für Charterflüge genutzt, in der Regel für gewichtige Ad-hoc-Aufträge. So auch dieses Mal: Eine etwa hundert Tonnen schwere Produktionsstraße zum Abfüllen pharmazeutischer Produkte sollte in die USA gebracht werden. „Wenn es der Zeitplan irgendwie zulässt, geht derartige Fracht über den Seeweg auf die Reise“, erklärt Joachim Wittner, Niederlassungsleiter der Logistikfirma Bolloré, die sich um den Auftrag kümmerte. „Das ist günstiger, dauert aber länger.“ So war es ursprünglich auch in diesem Fall geplant. Vom Headquarter der Schwäbisch Haller Biotech-Firma Optima Packaging, rund neunzig Kilometer nördlich des Stuttgarter Flughafens, sollte die Anlage nach Charlotte, North Carolina. Weil sich beim Empfänger jedoch einige Zeitpläne änderten, bestellte er eine Anpassung. „As soon as possible – so schnell wie möglich“, sagt Wittner.

Biotech aus Baden-Württemberg: Eine Produktionsstraße für die pharmazeutische Industrie wurde von der Schwäbisch Haller Firma Optima Packaging gefertigt. In Kisten verpackt geht sie auf die Reise in die USA, wo sie zur Medikamenten-Herstellung dringend benötigt wird.
Passt nicht einmal in einen Jumbo …

„Als die Anfrage einging – die Daten zu Größe, Last und die Maße in Kombination mit dem Zeitplan, wusste ich sofort: Wir müssen eine Antonow chartern“, so der 64-Jährige. Von der Fertigstellung bis zur gewünschten Auslieferung: Wittner hatte für das Handling des Auftrags nur ein Zeitfenster von sechs Tagen. „Bei derartigen Anfragen zahlt es sich aus, wenn man Erfahrung hat. Da muss die komplette Kette stimmen: Transport per Lkw zum Airport, dann das Cargo Ground Handling organisieren und sämtliche Zoll-Themen erledigen, und schließlich die pünktliche Auslieferung. Aber am wichtigsten ist: Eine passende Maschine muss schnell gefunden werden“, so Wittner. „Weil jede Minute zählt, habe ich sofort die Verfügbarkeit der Antonow geprüft, denn es war klar, dass die größten Teile nicht einmal in eine Boeing 747 passen.“ Insgesamt sollten 23 Kisten auf den Weg gebracht werden. „Zehn kleinere konnten wir in anderen Maschinen mitschicken, die 13 größeren landeten in der Antonow“, berichtet Wittner.

Logistikprofi im Nachteinsatz: Joachim Wittner ist Stuttgarter Niederlassungsleiter von Bolloré Logistics. Er ist einer von weltweit rund 20.000 Menschen, die sich für das Unternehmen an 600 Standorten um Luft- und Seefrachtaufträge kümmern.
Wie viel kostet es, die Antonow zu chartern?

„Wir hatten Glück und einer der Riesenfrachter war verfügbar. Antonow Airlines, die Betreibergesellschaft, machte uns ein Angebot, das den Charterpreis, die Treibstoffzuschläge und andere Gebühren enthielt“, so Wittner. Generell hängt der Preis von verschiedenen Faktoren ab – darunter die Flugstrecke, die Art der Fracht und die Verfügbarkeit des Riesenjets. In der Regel liegen die Preise für eine Flugstunde zwischen 50.000 und 100.000 US-Dollar. „In diesem Fall handelte es sich unterm Strich um einen siebenstelligen Gesamtpreis“, so Wittner.

Sensoren kontrollieren Werte in der Luft

„Bei den Kosten für derartige Transporte ist klar, dass sich das nur in dringenden Fällen und mit hochwertigem Inhalt lohnt“, sagt Wittner. „Die Anlage enthält viele empfindliche Teile. Deshalb statten wir solche Fracht in der Regel mit Sensoren aus.“ Diese überwachen verschiedene Kenngrößen während des Versands, etwa die Temperatur, den Luftdruck und die Feuchtigkeit. „Live und per App können wir so überprüfen, ob alles in Ordnung ist“, erklärt Wittner. Auch wenn die Flugzeugfans, die vom Zaun oder der Besucherterrasse den Start verfolgt haben, schon wieder auf dem Heimweg sind, hat Wittner seine Sendung also permanent bis zur vereinbarten Zustellung im Blick. „Am Ende lief alles nach Plan. Sämtliche Kisten wurden zum vereinbarten Zeitpunkt pünktlich geliefert und der Kunde war hochzufrieden – das war ein super Gefühl“, so Wittner.

Flugzeugnase im Seitenaus: So würde es aussehen, wenn die Antonow auf dem Spielfeld im Stadion des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart parken würde. Bei einer Spannweite von 73,3 Metern ragt jede Tragfläche in einen der Strafräume. Die Nasenspitze ist im Seitenaus.
Wertvolle Fracht

Rund 35 Prozent der transportierten Waren werden weltweit per Luft verschickt – jedenfalls, wenn man den finanziellen Wert bemisst. Mit Blick auf das Volumen ist es weniger als ein Prozent. Denn im Vergleich zur Seefracht konzentriert sich die Luftfracht auf kapitalintensive, kurzlebige und verderbliche Güter.


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  • Simon Kirchgeßner
  • 12/23