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Auf dem Himmelhighway


Wie Fahrzeuge am Boden bewegen sich auch Jets in der Luft auf festgelegten Routen. Experten der Flugsicherung planen diese Strecken. Sie müssen dabei auf viele Details achten.

Foto: Maks Richter | Flughafen Stuttgart GmbH

„Die Routen, auf denen wir fliegen, sind exakt festgelegt.“

Landstraße, Autobahn, schnellster oder kürzester Weg und Mautstraßen meiden – wenn Autofahrer ihr Navigationssystem programmieren, haben sie meist viele Auswahlmöglichkeiten. „Man könnte denken, dass wir am Himmel noch viel freier sind“, sagt Nielsen Bott, Stationskapitän der Airline Eurowings am Stuttgarter Flughafen. „Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Routen, auf denen wir fliegen, sind genau festgelegt. Wir müssen uns nicht nur an die exakte Strecke und die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten halten, sondern auch die Flughöhe beachten.“

Nielsen Bott ist Stationskapitän der Airline Eurowings in Stuttgart und fliegt selbst regelmäßig mit Maschinen des Typs Airbus A320.
Das Flight Management System (FMS) hilft dem Piloten, die richtige Abbiegung zu finden.

„Wenn ein Unwetter aufzieht, weichen wir mit Zustimmung der Flugsicherung vom Kurs ab.“

Schon bevor die Maschine die Parkposition am Boden verlässt, geben Flugzeugführer wie Nielsen Bott die Route in das sogenannte Flight Management System (FMS) ein, das die Daten für den Autopiloten bereitstellt. „Die Strecken sind schon vorab definiert“, erklärt Bott. „Sie werden von der Deutschen Flugsicherung (DFS) geplant.“ Start und Landung sowie die Höhenänderung führt die Cockpit-Crew in der Regel manuell durch. Geschwindigkeit sowie Drehpunkte berechnet das FMS. Während des Reisefluges stehen die Piloten in ständigem Austausch mit den Lotsen und kontrollieren die Instrumente. Die Maschine fliegt den vorgegebenen Weg währenddessen exakt ab. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Dann müssen Piloten die Ideallinie verlassen, etwa bei einem Gewitter. „Wenn ein Unwetter aufzieht, weichen wir mit Zustimmung der Flugsicherung vom Kurs ab“, erklärt Bott. „Denn Sicherheit hat in der Luftfahrt stets oberste Priorität.“

Wind aus Westen

„Für den Abflug am STR kommen zwei Richtungen infrage – nämlich Ost und West“, sagt Bott. Bis sie eine gewisse Höhe erreicht haben, müssen Jets geradeaus fliegen. Wie lange, das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. „Zum einen sind das die technischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Maschinen, beispielsweise, wie schnell ein Flugzeug starten oder an Höhe gewinnen kann, und ob das Fluggerät in der Lage ist, enge Kurven zu fliegen“, erklärt Stephan Heinrich von der DFS im Stuttgarter Tower. „Zum anderen werden die geografischen Gegebenheiten berücksichtigt – am STR sind beispielsweise Hindernisse wie die Weidacher Höhe oder der Fernsehturm zu beachten. Außerdem sollten Wohngebiete möglichst nicht überflogen werden.“

Auf seinem Tablet checkt Pilot Nielsen Bott die Flugroute. Auf dem kleinen Zettel hat er die aktuellen Wetterdaten für den Abflug geprintet parat.
Geradeaus bis zum Drehpunkt
Flugverläufe online: Wie viel Verkehr ist gerade am Himmel rund um Stuttgart? Das System STANLY_Track zeigt die Darstellung von Flugverläufen im Nahbereich deutscher Verkehrsflughäfen.

In Mittel- und Westeuropa bläst der Wind oft aus Westen, so auch am baden-württembergischen Landesairport. Weil die Maschinen grundsätzlich gegen den Wind abheben, kommen daher Abflüge in diese Richtung häufig vor. Die dafür vorgeschriebene Strecke verläuft zunächst sieben Kilometer geradeaus, über die Weidacher Höhe hinweg, bis zum Erreichen des Drehpunkts bei Steinenbronn. Dort muss eine Wegmarke passiert werden. „Dieser sogenannte Fly-over-Point wurde vor Jahren festgelegt, weil Piloten vorher hin und wieder von der Ideallinie abgewichen sind. Grund dafür waren zu hohe Geschwindigkeiten. So mussten die Kurven in einem größeren Radius geflogen werden“, erklärt Stephan Heinrich. Deshalb gibt es heute Tempolimits: Eine Maschine darf beim Abflug am Landesairport derzeit höchstens 230 Knoten schnell sein – was etwa 425 Stundenkilometern entspricht. Wenn sie zu flott fliegen, müssen Piloten mit einem Bußgeld rechnen.

Ideallinie im Blick

Bevor Jets darauf unterwegs sind, werden die Flugstrecken mit vielen Beteiligten abgestimmt. Mitarbeiter in der DFS-Zentrale im hessischen Langen kümmern sich um die Planung in ganz Deutschland. Sie berücksichtigen dabei viele Faktoren. Damit beispielsweise möglichst wenig Anwohner die Geräusche der Maschinen hören, werden sämtliche Routen mithilfe der Computersoftware NIROS simuliert. Diese errechnet die zu erwartenden Schallimmissionen aller Flugzeuge und gewichtet sie mit der Bevölkerungsdichte. So ergibt sich eine Kennzahl für bewohnte Gebiete rund um die Airports. Die Ideallinien werden danach unter anderem noch dem Umweltbundesamt und der örtlichen Fluglärmkommission mit Vertretern der lokalen Städte und Gemeinden zur Beratung vorgelegt. Erst dann gibt das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung grünes Licht für die jeweiligen Verfahren.

Lärmpegel im Blick: Bevor Jets auf den Luftstraßen fliegen, werden die Routen zum Schutz der Anwohner in einem aufwendigen Verfahren von einer Computersoftware errechnet und im Anschluss mit vielen Beteiligten abgestimmt.

Wenn Piloten schließlich auf den Routen starten, werden sie zunächst von den DFS-Mitarbeitern im Stuttgarter Tower koordiniert. Unmittelbar nach dem Abheben übernehmen die Lotsen im hessischen Langen. Der gesamte Luftraum der Bundesrepublik wird mit Radar von insgesamt vier Kontrollzentralen der Flugsicherung aus überwacht. Um den unteren Luftraum in Mitteldeutschland und dem Südwesten kümmert sich die Zentrale in Langen. Für den oberen Sektor, ab einer Höhe von ungefähr 7,5 Kilometern, ist die DFS-Kontrollzentrale in Karlsruhe zuständig. Über 10.000, an Spitzentagen sogar mehr als 11.000 Flüge werden nach diesem Prinzip durch den deutschen Luftraum geführt. „Die verschiedenen Sektoren kann man sich wie Schuhkartons vorstellen. Sobald wir von einem in den nächsten gleiten, übernehmen andere Lotsen“, erklärt Bott. „Damit wir stets auf der perfekten Linie fliegen.“

Woher wissen Piloten, wo sie sind?

Das Globale Positionsbestimmungssystem (GPS) ist vom Smartphone oder Navi im Auto bekannt. Es bestimmt den Standort mithilfe von Satelliten. Im Flugzeug ist es nur eines von drei Hilfsmitteln, die die genaue Position ermitteln. Unterstützt wird das GPS vom Flight Management System, das mit Beschleunigungssensoren funktioniert. Zusätzlich wird die Messung ständig mittels Radionavigation aktualisiert.

Bei modernen Varianten des FMS ist die Navigation mit der Flugsteuerung und dem Autopiloten verknüpft. Je nach Modell führt das System exakte Start- und Anflugberechnungen durch und erledigt das sogenannte vertikale Flugprofilmanagement – also Höhe, Steig- und Sinkflug sowie Treibstoffmanagement. „Abhängig vom Startgewicht, den Wetterbedingungen und der umliegenden Geografie müssen Steigwinkel und Schub immer unterschiedlich eingestellt werden“, erklärt Kapitän Bott.

Wie entstehen Flugrouten? Ein Pilot erklärt es

  • Stories STR
  • Simon Kirchgeßner
  • 03/19