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Am Urlaub wird zuletzt gespart


Koffer packen, Alltag vergessen – die Deutschen urlauben trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten so viel wie lange nicht. Bevorzugtes Verkehrsmittel ist seit 2023 nicht mehr das Auto, sondern das Flugzeug. Reiseforscherin Dr. Friedericke Kuhn kennt die Gründe und die neuesten Trends. Außerdem in der Titelstory: Tipps für gelingende Urlaubsfotos von Influencer Nordic Scott und Travel-Tricks von den Bloggern Nadine und Tobi Weber.

„Reisen ist unser größtes Hobby und wir lieben es, unterwegs zu sein“, sagt Nadine Weber.

„Tobi und ich verbringen eigentlich 100 Prozent unserer Urlaubstage im Ausland, und wenn es die Umstände zulassen, verbinden wir Auslandsaufenthalte mit der Arbeit – in Form von Workation.“ Passend zum Programm postet das Stuttgarter Paar unter dem Namen Vacationators Reisetipps und Erfahrungen auf der Plattform Instagram. „Unterwegs kommen uns die besten Einfälle“, berichten sie. „Alltagsaufgaben wie Wäschewaschen und Kochen tauschen wir gegen mehr Zeit für Content- und Business-Ideen.“

Foto: @vacationators „Für Tobi bedeutet der STR ein Stück Heimat, da er in der Region um den Flughafen aufgewachsen ist. Bereits als Kind ist er mit seinem Opa raus aufs Feld geradelt, als 1998 die Concorde in Stuttgart landete. Auch heute sind wir oft in Filderstadt und in der Region rund um den Flughafen unterwegs und jedes Mal fasziniert, wenn wir wieder einen Flieger starten oder landen sehen“, sagen Tobi und Nadine Weber – gemeinsam sind sie die Vacationators.
„Wer kein Urlaub macht, gefährdet die Gesundheit“

Dass nicht nur den Vacationators Abstand zum gewohnten Trott guttut, bestätigen wissenschaftliche Untersuchungen. „Auf Reisen lässt sich der sogenannte kognitive Alltagsballast besser loslassen“, erklärt Tourismusforscherin Dr. Friedericke Kuhn. „Man denkt also weder an die unaufgeräumte Garage noch an soziale Verpflichtungen.“ Wer keinen Urlaub mache, gefährde gar die eigene Gesundheit. „Es entsteht eine absolut erhöhte Stressbelastung“, so Kuhn.

Für Influencer Mirko Büchte, dem als Nordic Scott auf den Social Media Kanälen Instagram und TikTok mehr als sechs Millionen Menschen folgen, steht ein weiterer Aspekt im Fokus: „Ich brauche das Reisen, um meine Kreativität wieder zu entfachen“, so Scott. „Wenn ich an einen neuen Ort komme, passiert etwas Magisches. Ich sehe andere Architektur, bemerke neue Gerüche, spüre die Sonne auf der Haut und plötzlich schießen die Ideen durch meinen Kopf.“

Foto: Dr. Dirk Schmücker (NIT) „Ich mag es, wissenschaftlich mit guten Methoden an Daten zu arbeiten. Unsere Reiseanalyse wird nach höchsten Standards durchgeführt. Mir gefällt außerdem, mich täglich mit dem positiven Themenfeld Urlaubsreisen zu beschäftigen“, sagt Dr. Friedericke Kuhn, Projektleiterin am Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT).

Inflation als Grund für mehr Flugreisen?

Bei der Planung handeln die meisten Menschen laut Kuhn ähnlich. „Zuerst entscheiden sie, wohin die Reise geht und dann, wie sie dorthin kommen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Bei sonst gleichwertigen Angeboten habe der Preis eine große Lenkungswirkung. „Ob Unterkunft, Essen und Trinken oder Freizeitaktivitäten – vieles hat einen Einfluss aufs Gesamtbudget. Und so kommt es, dass eine Reise nach Rom teils günstiger ist als ein Deutschlandurlaub, oder ein Trip nach Thailand preiswerter als die Auszeit in Portugal“, erklärt Kuhn, die als Projektleiterin die größte wissenschaftliche Marktforschungsstudie der deutschen Bevölkerung betreut. „Destinationen, an denen die Preise niedrig sind, rücken besonders in den Fokus, etwa die Türkei. Auch Montenegro und Albanien liegen im Trend“, analysiert die Wissenschaftlerin. „Und: In diesem Jahr brechen erstmals mehr Deutsche mit dem Flugzeug in ihren Haupturlaub auf als mit dem Auto. Ich erwarte, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzt.“

2023 hat das Flugzeug zum ersten Mal das Auto als Hauptverkehrsmittel überholt – das zeigt die Reiseanalyse. Die Untersuchung wird seit 1970 jährlich durchgeführt.
Das Besondere als Motiv

„Unsere Analyse zeigt außerdem, dass Urlaubsreisen eine hohe Konsumpriorität haben“, sagt Kuhn.

Der Grund: Sie befriedigen wichtige Grundbedürfnisse. So lässt sich erklären, dass trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage kaum jemand daran denkt, am Urlaub zu sparen. „Neue Kulturen kennenlernen oder an einem sonnigen Strand chillen – wer in den Urlaub geht, möchte etwas erleben, das würdig ist, erzählt zu werden“, erklärt die Forscherin.

Megatrends, Buzzwords und Barrierefreiheit

„Von Quietcation bis Setjetting – durch bestimmte Entwicklungen in der Welt entstehen neue Buzzwords“, erklärt Kuhn. Sie beschreiben Trends. Coolcation etwa stehe dafür, dass es Menschen in den wärmsten Monaten nach Nordeuropa zieht. In Zeiten des Klimawandels werde das Phänomen greifbarer. „An unseren Daten können wir jedoch keine starken Effekte ablesen“, sagt Kuhn. Vielmehr: Es gebe schon immer Leute, die nicht in heiße Urlaubsländer wollten, etwa Ältere und Familien mit kleinen Kindern.

Anders sieht es bei den Megatrends aus: Die Buchung im Internet beispielsweise. 2019 haben Ticketkäufe an PCs, Laptops oder Smartphones den Gang ins Reisebüro erstmals überholt. „Neu hinzu kommen KI-Anwendungen, die immer mehr wachsen. Da gibt es etwa Tools wie Emma, die virtuelle Reiseleiterin der deutschen Zentrale für Tourismus e. V.“, so Kuhn.

„Hallo, ich bin Emma. Ich bin ein KI-gesteuerter Chatbot und AI Travel Companion. Ich freue mich, Informationen und Inspirationen über das Reiseland Deutschland mit dir zu teilen“, begrüßt Emma ihre Chat-Partnerinnen und -Partner auf der Website der Deutschen Zentrale für Tourismus. Per Chat gibt sie Tipps für Ausflüge und Reisen in Deutschland.
Boomer on Tour

Auch die demographische Entwicklung ist ein Megatrend, der die Reisebranche beeinflussen wird. Denn die Babyboomer, die geburtenstarken Jahrgänge der 1955 bis 1969, gehen nacheinander in den Ruhestand. „Sie haben großes Interesse an der Welt und werden laut Prognosen oft auf Reisen sein. Verglichen mit vorherigen Rentner-Generationen sind sie im Durchschnitt wohlhabender“, berichtet Kuhn. „Aufgrund der alternden Gesellschaft wird Barrierefreiheit für die Reiseinfrastruktur in Deutschland immer wichtiger. Hier muss mehr gemacht werden. Rom ist ein gutes Vorbild: Die Sehenswürdigkeiten in der heiligen Stadt sind für alle gut zugänglich, auch mit dem Rollstuhl.“

Selfiespot als Tourimagnet?

Neben dem Preis und der Zugänglichkeit haben Influencer und ihr Content auf den sozialen Netzwerken großen Einfluss auf die Destinationswahl. Deshalb hat Kuhn untersucht, ob es sich für Ferienorte rentiert, einen speziellen Foto- oder Selfie-Spot zu errichten, um mehr Touristinnen und Touristen anzulocken. Das Ergebnis: Nur, wenn die Besucherlenkung drumherum gut durchgeführt wird. Als Creator kann Nordic Scott das bestätigen. „Reisen ist immer ein Gesamterlebnis. Von der Ankunft am Airport bis zum Essen in der Unterkunft – die Customer Journey als Paket muss stimmen, damit ein gutes Gefühl hängen bleibt.“

Scott selbst hilft dabei, dass auch ohne speziellen Spot schöne Fotos entstehen. „Für meine Beiträge überlege ich mir: Wie könnte ein kreatives Motiv an den meistbesuchten Orten aussehen? Daraus mache ich sogenannten teachable Content – Inhalt also, bei dem man etwas lernen kann“, sagt er.

„Der Stuttgarter Airport ist schon immer meine Base“, sagt Travel-Influencer Nordic Scott. „Ich bin meist dort, wo viele Fotos aufgenommen werden, an den Haupt-Tourispots, etwa am Burj Khalifa in Dubai, damit sich viele etwas abschauen können.“
So gelingen eure Urlaubsfotos: 5 Tipps von Nordic Scott
  1. Wechsel die Perspektive
    Die Kamera neu zu positionieren, bringt Abwechslung. Beispiele: extrem von unten, die sogenannte Froschperspektive, das Handy drehen oder mit Weitwinkel arbeiten.
     
  2. Alltägliche Gegenstände als Unterstützung nutzen
    Beispiele: Die leer getrunkene Flasche als Effekt vor der Linse oder die Sandale, Koffer oder Klebestreifen als Stativ nutzen.
     
  3. „Fake walk“ für Bewegungssimulation
    „Stumpf stehen kommt meistens nicht so cool“, sagt Scott. Einfache Ideen für mehr Pep: Körperpose ändern oder über die Schulter blicken. Oder Aufnahmen in Bewegung, hier lohnt es sich den Serienmodus zu aktivieren. Alternative: ein sogenannter Fake Walk –Schrittstellung einnehmen und das Gehen simulieren.
     
  4. Outfit beachten und für Farbklecks sorgen
    Rote Jacke in dunkler Umgebung, oder schwarze Kleider bei hellem Hintergrund: Kontraste wirken als Blickfang.
     
  5. Licht beachten
    Eine Skyline wirkt nachts viel cooler. Sonnenauf- und Untergänge lassen Berggipfel rot „glühen“. Und wenn es dunkel ist, lohnt es sich, den Blitz zu aktivieren.
Urlaubsfotos und Mitbringsel für Psycho-Hygiene

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Fotos dabei helfen, den Urlaubseffekt zu verlängern. „Mitbringsel wie T-Shirts, besondere Steine oder schöne Fotos können dafür sorgen, dass ein gutes Gefühl entsteht – sie haben also einen guten Einfluss auf unsere Psyche“, sagt Kuhn. Sie selbst hat sich nach ihrem Auslandsjahr in Kanada ein Tattoo stechen lassen. „Ein Maple-Leaf – immer wenn ich es ansehe, denke ich an die Zeit zurück“, sagt sie. In ihrer Dissertation befasste sie sich tiefergehend mit diesem Aspekt und stellte fest: „Ich bin keine Ausnahme. Für viele ist Reisen identitätsstiftend“, sagt sie. „Der Grund: Sowohl die Ausgestaltung der Reise als auch die Art und Weise, wie ich die Reiseerfahrung darstelle, liegt komplett in meiner Hand. Außerdem stecke ich während der Reise nicht in Alltagskonstrukten fest und kann meine Persönlichkeit frei entfalten.“ Dies sei gerade im Alter von 20 bis 25 Jahren wichtig für die Identitätsbildung.

How to schönes Foto: „Auf meinem Kanal zeige ich, wie Urlaubsfotos etwas Besonderes werden“, sagt Travel-Influencer Nordic Scott.
Travel-Hacks der Vacationators
  1. Apps der Airlines installieren
    Bei den Fluggesellschaften kann man auf Upgrades bieten und etwa Business-Class fliegen.
  2. Punkteprogramme nutzen
    Amex oder andere bieten Flüge und Hotels gegen gesammelte Punkte.
  3. GPS Tracker …
    … Fürs Gepäck und fürs Gewissen aktivieren.
  4. Digitale Tools
    Die eSim lässt sich bequem von zu Hause für jedes weltweite Reiseziel installieren, Reisedokumente sind in der Cloud knitterfrei und jederzeit abrufbar.
  5. Platz sparen
    Fürs Reisen mit Handgepäck: Nackenkissen kann man mit Klamotten füllen J.
Leben in Deutschland ist nicht selbstverständlich

„Durch das Verreisen werden Menschen weltoffener“, ergänzt Kuhn. „Das beeinflusst auch die Einstellung zur Nachhaltigkeit: Wer den Regenwald gesehen hat, findet ihn in der Regel auch schützenswerter“, erklärt sie. Tobi und Nadine Weber sehen das ähnlich und ergänzen: „Das Leben in Deutschland ist nicht selbstverständlich und auf Reisen wird einem das auch immer wieder bewusst. Nach der Rückkehr betrachtet man manches mit ganz anderen Augen“, so die beiden Vacationators und ergänzen: „Deshalb lieben wir das Reisen auch so sehr.“


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  • Simon Kirchgeßner
  • 03/24