Von Paris nach Stuttgart: Ursprünglich kam Viviane Renon für ihre Masterarbeit an den STR, heute ist sie die Expertin für Enteisungsmittel. Doch nicht nur im Winter ist die studierte Chemie-Ingenieurin in Sachen Umweltschutz am Airport unterwegs.
„Das war genau das, was ich machen wollte”, sagt Viviane und zeigt auf die giftgrüne Flüssigkeit in einem Reagenzglas. Ein Gemisch, das benutzt wird, um Flugzeuge zu enteisen. Diese dürfen bei niedrigen Temperaturen sonst nicht abheben, da Frost oder Schnee die Aerodynamik beeinträchtigen könnten. Weil Sicherheit im Luftverkehr immer an erster Stelle steht, werden die Maschinen vor dem Start enteist. Dieser Vorgang geschieht immer auf bestimmten Positionen nahe der Startbahn, das überschüssige Enteisungswasser wird in unterirdischen Tanks gesammelt. Aber was passiert danach mit diesem Wasser? Damit beschäftigte sich Viviane ausführlich in ihrer Masterarbeit.
Mit gerade mal zwanzig Jahren beendet Viviane Renon ihr Chemieingenieurwesen-Studium in ihrem Heimatland Frankreich. Ihr Interesse für Umwelt- und Abwassertechnik führt sie dann an die Universität Stuttgart, dort schließt sie ihr letztes Mastersemester ab. Dank ihres deutsch-französischen Abiturs (AbiBac) hat sie keine Probleme mit der Sprache. Als sie beschließt, ihre Masterarbeit in Deutschland zu schreiben, macht ihr Professor ihr den Vorschlag, sich am STR zu bewerben – eine Gelegenheit, die sie schnell ergreift.
Das gesammelte Enteisungswasser wurde bisher zu Kläranlagen transportiert, da es wertvollen Kohlenstoff enthält. Um die CO2 -Emissionen der Transportwege zu reduzieren, soll dieses künftig jedoch weiterverwertet werden. Hier kommt Viviane ins Spiel. Bei der Recherche für ihre Masterarbeit entdeckte sie die Anlagen des schwedischen Unternehmens Vilokan, das sich auf die Wiederaufbereitung von Flugzeugenteisungsmitteln spezialisiert hat. In der Anlage werden diese erst filtriert und dann destilliert – so ähnlich wie bei Alkohol. Denn: Flugzeugenteisungsmittel bestehen hauptsächlich aus Glykol, ein wertvolles Produkt, das weiterverkauft werden kann. Durch diesen Prozess wird das Glykol aufkonzentriert und überschüssiges Wasser entfernt. Die Anlage befindet sich noch in einer Testphase, die im November 2024 angefangen hat. Bisher wurde ein Teil des recycelten Produkts an eine Kläranlage verkauft. Auch Zementfirmen, die Kohlenstoff brauchen, haben Interesse bekundet. Zudem könnte das fertige Produkt wieder an Vilokan zurückgeschickt werden, um damit erneut Flugzeugenteisungsmittel herzustellen. Sollte der Testlauf erfolgreich sein, könnte eine Anlage dauerhaft am Flughafen betrieben werden.
Am Ende ihres Masterstudiums stellte sich für Viviane die Frage: Wie geht es weiter? Eine passende Stelle am STR im Bereich Gewässerschutz gab es zwar nicht, dafür aber in der Abfallwirtschaft. Viviane übernimmt die Position von Karl-Heinz Geber, der im April 2025 nach 33 Airport-Jahren in den Ruhestand geht und sich bisher ums Abfallmanagement gekümmert hat. Gleichzeitig arbeitet sie weiterhin mit dem Gewässerschutzbeauftragten Cornel Ritter zusammen, um ihr ursprüngliches Projekt mit der Aufkonzentrierungsanlage weiterzuführen. „Ich habe eigentlich nicht vor, wieder nach Frankreich zurückzukehren“, sagt Viviane. „Ich weiß allerdings nicht, ob ich mein ganzes Leben hierbleiben möchte, aber ich bin sehr flexibel. Und außerdem ist Paris auch schnell zu erreichen, wenn ich meine Familie und Freunde besuchen möchte.“
Wer mehr von Viviane sehen möchte, kann sich ein Reel auf dem Instagram-Account @stuttgartairport ansehen.