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„Wir werden eine Zukunft haben“


Auf das Rekordjahr 2019 mit rund 300 Millionen Euro Umsatz folgte der Corona-Schock: Auch am Flughafen Stuttgart brachen als Folge der globalen Pandemie die Passagierzahlen ein. Wie der STR mit der Krise umgeht, berichten Dr. Arina Freitag und Walter Schoefer im Geschäftsführer-Interview.

Flugblatt: Im März wurde klar, dass sich das Corona-Virus auch in Deutschland verbreitet. Es kam zum Shutdown. Wie haben Sie diese Tage erlebt?

Dr. Arina Freitag: Noch im Februar sind unsere Passagierzahlen um 3,4 Prozent gewachsen. Doch dann ging es ganz schnell nach unten: Je mehr Regionen zum Risikogebiet erklärt wurden, desto mehr Airlines haben ihre Flüge abgesagt. Mitte März mussten die deutschen Staatsbürger aus dem Ausland zurückgeholt werden. Da hatten wir rund 25 Rückführerflüge.

Walter Schoefer: Fracht- und Postflüge haben ebenfalls noch stattgefunden. Auch Maschinen mit medizinischen Notfällen an Bord sind in Stuttgart angekommen: Ende März wurden etwa schwerkranke Covid-19-Patienten aus dem Elsass gebracht und in einer Klinik im Land weiterbehandelt. 

Dr. Arina Freitag und Walter Schoefer bewähren sich als Krisenmanager. Das Geschäftsführer-Duo stellt sich auf eine längere Durststrecke ein.

Flugblatt: Ab dem 6. April war der Flughafen für 17 Tage komplett geschlossen. Darf das ein Airport-Betreiber einfach so machen? Gibt es keine Betriebspflicht?

Freitag: Doch, natürlich. Wir haben aber das Verkehrsministerium darum gebeten, uns von dieser zu befreien, um vorzeitig mit der Teilerneuerung unserer Runway beginnen zu können. Zunächst wurden alle Beteiligten angehört, etwa die Airlines oder die Vertreter der US Army, die einen Teil der Südseite des Airports militärisch nutzt. Die Zusammenarbeit mit dem Ministerium war sehr gut, daher kam die Entscheidung schnell. 

Schoefer: Und sie war absolut richtig. Wir sind auf der Baustelle rasch vorangekommen, außerdem war deutlich weniger Nachtarbeit nötig, als ursprünglich gedacht.

Flugblatt: Wie ist die Situation jetzt am Flughafen Stuttgart, rund drei Monate nach dem Beginn des Ausnahmezustands?

Freitag: Es zahlt sich aus, dass wir in der Vergangenheit gemeinsam als Team solide gewirtschaftet haben. Unsere Ausgangsbasis ist besser als die manch anderer Airports. Aber: Die Luftfahrtbranche befindet sich weltweit in der größten Krise seit ihres Bestehens. Wir haben sicherlich noch mehrere Jahre Durstrecke vor uns.

Schoefer: Da unsere die Einnahmen weitgehend weggebrochen sind, müssen wir jetzt, so gut es geht, Kosten senken. Die meisten unserer Mitarbeiter befinden sich im Moment in Kurzarbeit, und viele große Projekte haben wir erstmal auf Eis gelegt.

Freitag: Aber so deprimierend die Situation aktuell auch ist – wir haben eine Zukunft! In meinen Gesprächen, die ich mit den Airlines führe, bekomme ich immer wieder signalisiert, dass der Standort Stuttgart nichts von seiner Attraktivität verloren hat. Viele Fluggäste freuen sich auf den Restart.

Kurzfristige Entscheidung: Aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Bauarbeiten auf der Runway bereits früher begonnen als ursprünglich geplant.

Flugblatt: Wird diese Krise den Flughafen Stuttgart nachhaltig schwächen?

Freitag: Langfristig braucht man uns als Landesflughafen. Sicherlich haben die digitalen Möglichkeiten in der Krise gezeigt, dass nicht jede Dienstreise notwendig ist – aber auch, dass persönlicher Kontakt nicht zu ersetzen ist. Ich höre von vielen Unternehmen der Region, dass die Mitarbeiter wieder in ihre Werke im Ausland fliegen werden.

Schoefer: Die Nachfrage wird zurückkommen, wenn Reisen wieder möglich ist. Aber Fliegen muss auch klimaverträglicher werden. Daher arbeiten wir weiter an unserem ehrgeizigen Ziel, den Stuttgarter Flughafen bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu betreiben. Dafür wollen wir unter anderem unsere Terminals energetisch aufrüsten, und das unter wirtschaftlich viel engeren Bedingungen. Das Projekt mussten wir in der Krise zunächst zurückstellen, können es aber hoffentlich bald wieder langsam anfahren – denn Investitionen in den Klimaschutz sind Investitionen in unsere Zukunft.

Abstandsmarkierungen auf dem Boden und den Sitzbänken in den Gates: Der Flughafen Stuttgart hat sich gründlich auf den Restart des Luftverkehrs vorbereitet.

  • Stories STR
  • Rebekka Knauß
  • 06/20