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Fliegen mit Kraftstoff aus Strom und CO2: „Wir schaffen das!“


Am Luftfahrtstandort Baden-Württemberg arbeiten neben dem Stuttgart Airport viele weitere Partner aus Industrie und Wissenschaft an einer klimaschonenden Zukunft des Fliegens. Ein Teil von THE Aerospace LÄND ist auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Wie wichtig Forschung an nachhaltigen Kraftstoffen ist, erklärt Prof. Dr. Manfred Aigner, langjähriger Direktor des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik in Stuttgart.

Zur Person

Prof. Dr. Manfred Aigner studierte Maschinenbau in Karlsruhe und promovierte zum Thema Brennstoff-Zerstäubung. Rund 13 Jahre arbeitete er bei einer Kraftwerksfirma und verantwortete dort die Entwicklung von Gasturbinen. 1998 wechselte er ans Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt nach Stuttgart, wo er langjähriger Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik war. Heute ist
Prof. Aigner pensioniert, aktuell arbeitet er im Sonderauftrag für den DLR-Vorstand und konzentriert sich in seiner Tätigkeit auf TPP – die Technologie-Plattform Power-to-Liquid (PtL).

„Für mich war es wichtig, die Technologien, egal, ob es nun Kraftwerke sind oder Flugzeuge, umweltfreundlich zu machen. Umweltfreundlich heißt klimafreundlich. Das heißt aber auch menschenfreundlich. Denn wir brauchen eine gute Umwelt, damit es den Menschen gut geht. Das war immer mein Bestreben."

Bildquelle: DLR Bildquelle: DLR
Prof. Aigner, was sind denn alternative Kraftstoffe beziehungsweise SAF?

Alternative Kraftstoffe oder Sustainable Aviation Fuels, kurz SAF, sind nachhaltige Luftfahrtkraftstoffe. Darunter sind Kraftstoffe zu verstehen, die weniger Umwelt- und Klimawirkung haben, da sie erneuerbar sind. Bei fossilem Öl wissen wir, dass dieses einmal komplett verbraucht sein wird. Bei alternativen Kraftstoffen hingegen wird auf Energiequellen gesetzt, die unerschöpflich sind, wie Sonne oder Wind. Außerdem müssen Quellen genutzt werden, die keine Nebenwirkungen haben, die Klima oder Umwelt schädigen könnten. Dazu zählen beispielsweise Biomasse oder die Entnahme von CO₂ aus der Luft.

 

Wieso ist gerade in der Luftfahrt die Forschung an nachhaltiger Verbrennungstechnik so entscheidend?

Die Luftfahrt hat zwar einen begrenzten Einfluss auf das Klima, heute zwischen zwei und drei Prozent, aber sie wächst. Was auch zu bedenken ist: Es gibt keine wirkliche Alternative zum Luftverkehr hinsichtlich weiter Distanzen. In der Vergangenheit ist der Luftverkehr immer leistungsfähiger geworden, so sind mittlerweile Flüge weltweit mit über 500 Passagieren möglich. Und für diese Art des Fliegens sind hohe Energiedichten im Antrieb notwendig, die beispielsweise mit Batterien oder Brennstoffzellen nicht darstellbar sind. Das heißt, für diesen Zweck gibt es nur das Flugzeugtriebwerk mit strombasiertem Kraftstoff.

Welchen Beitrag leistet das Institut für Verbrennungstechnik des DLR in Stuttgart, damit die Luftfahrt nachhaltiger wird?

Hier wird alles, was mit dem zentralen Herzen des Triebwerks, nämlich der Verbrennung zu tun hat, untersucht. Zum einen geht es darum, die Verbrennungsvorgänge so zu gestalten, dass möglichst keine Stickoxide oder Rußpartikel entstehen. Zum anderen können bei der Verbrennung von Kerosin bis zu 3.000 Grad Celsius erzeugt werden, diese Temperatur hält jedoch kein Material aus. Für den Betrieb des Triebwerks werden lediglich rund 1.500 Grad Celsius benötigt. Ziel ist es, die Verbrennung so zu gestalten, dass sie milder abläuft. Außerdem geht es auch um den Kraftstoff, der verbrannt wird. Denn dieser hat eine erhebliche Auswirkung auf das Klima durch eine hohe Schadstoffbildung. Um den Kraftstoff so zu optimieren, dass er für die Verbrennung im Flugtriebwerk optimal ist, überwachen wir rund 50 Parameter, zum Beispiel den Zündpunkt und die Rußbildung.

Stickstoffoxide, kurz Stickoxide, gehören zu den sogenannten Stickstoffverbindungen, die zu negativen Umweltwirkungen führen können. Gemeinsam mit flüchtigen Kohlenwasserstoffen sind sie für die sommerliche Ozonbildung verantwortlich. Außerdem tragen Stickstoffoxide zur Feinstaubbelastung bei.

Derzeit gibt es acht zugelassene Herstellungsverfahren bei alternativen Kraftstoffen. Sie beschäftigen sich mit strombasierten Kraftstoffen, dem Power-to-Liquid (PtL). Wie genau funktioniert dieses Verfahren?

Viele der Herstellungsverfahren können unter Power-to-Liquid zusammengefasst werden, eins der bekanntesten ist sicher das Fischer-Tropsch-Verfahren. Es funktioniert, indem grünes CO₂ aus der Luft oder aus Pflanzen entnommen wird. Anschließend wird Wasser durch erneuerbaren Strom gespalten. Es entsteht Wasser- und Sauerstoff. Der grüne Wasserstoff und das grüne CO₂ werden zuerst in einen Synthese-Gas-Reaktor gefüllt, der das Synthese-Gas vorbereitet und bereitstellt. Anschließend wird die Synthese durchgeführt. Dabei entstehen sehr langkettige Kohlenwasserstoffe, von der Konsistenz ähnlich wie Schweröl. Diese werden weiter aufbereitet, ähnlich wie in einer Raffinerie destilliert, bis das nachhaltige Kerosin entsteht. Insgesamt sind es drei Verarbeitungsschritte hin zu strombasierten Kraftstoffen. Letztendlich müssen diese noch zertifiziert werden. Wichtig bei dem Verfahren: Strom und CO₂ für die Produktion müssen zwingend aus erneuerbaren Quellen stammen.

Bei der Synthese handelt es sich um ein Verfahren, bei dem aus Elementen eine Verbindung hergestellt wird.

Fliegen ist aus einer globalisierten Welt nicht mehr wegzudenken. Welche Bedeutung haben strombasierte Kraftstoffe für die Luftfahrt von morgen?
Bereits heute fliegen Flugzeuge mit beigemischtem Sustainable Aviation Fuel. Bereits heute fliegen Flugzeuge mit beigemischtem Sustainable Aviation Fuel.

Sie sind der Schlüssel für nachhaltiges, leistungsfähiges Fliegen. Bei Kurzstrecken sind auch andere Lösungen vorstellbar. Bei langen Strecken mit vielen Passagieren wird Power-to-Liquid die Schlüsselrolle spielen. Zudem gibt es noch eine Brückentechnologie, die sogenannten Biofuels. Bei diesen wird aus behandelten Pflanzenölen Kerosin hergestellt. Das ist ebenfalls ein guter Weg, jedoch ist die verfügbare Pflanzenmasse aus politischen und moralischen Gründen begrenzt, da sie unter anderem als Nahrungsmittel dienen. Außerdem handelt es sich bei Biofuels um natürliche Produkte, das heißt, sie haben Bestandteile, die nicht ganz optimal sind. Bei strombasiertem Kraftstoff, wie dem PtL, besteht die große Chance, die Schadstoffe drastisch zu reduzieren. Das heißt, hier können wir tatsächlich ein absolut nachhaltiges Fliegen anstreben.

Sind Kerosingemische aus verschiedenen Herstellungsverfahren möglich?

Ja, dazu laufen schon verschiedene Erprobungen. Allerdings muss das noch weiterentwickelt werden, bevor das auch im Alltagsbetrieb möglich sein wird. Es gibt verschiedene Klassen bei den alternativen Kraftstoffen. Die erste ist die sogenannte Drop-in-Klasse. Das bedeutet, ein alternativer Treibstoff wird dem Kerosin direkt beigemischt. Die Regulierungsbehörden deckeln die Beimischung im Augenblick bei 50 Prozent. Die Gemische sind wichtig, denn wir werden nicht ausreichend alternative Kraftstoffe produzieren können, um die Flugzeuge vollständig damit zu betanken, es werden immer Anteile sein. Wir verfliegen in Deutschland 10 Millionen Tonnen Kerosin pro Jahr und wir produzieren im Moment weniger als ein Prozent an alternativen Kraftstoffen. Bis wir bei den 100 Prozent sind, müssen wir also solche Drop-ins verwenden. In ihrer chemischen Zusammensetzung sind sie optimierbar. Ein Vorteil der Drop-in-Kraftstoffe und Kraftstoffgemische ist, dass die heutige Infrastruktur und aktuelle Flugzeugmodelle nutzbar sind.

Für das PtL-Herstellungsverfahren wird viel CO₂ benötigt. Aus welcher Quelle wird dieses zukünftig stammen, was denken Sie?

Wir haben eine ganze Reihe von Anlagen in Deutschland, die grünes CO₂ produzieren, zum Beispiel bei den Biogasanlagen, aber auch bei der Ethanol-Herstellung. Unsere Autos fahren heute mit bis zu 10 Prozent Bio-Ethanol-Zumischung, das sogenannte E10. Bei dieser Ethanol-Herstellung wird automatisch CO₂ frei, welches auch aus Biomasse gewonnen wurde, also grünes CO₂. Das heißt, mit den heutigen Verbräuchen könnte man ohne weiteres die Quellen von Deutschland leicht nutzen. Ein weiterer Weg ist die sogenannte Direct Air Capture (DAC), da wird das CO₂ aus der Luft gefiltert, das ist aber energieintensiv und die Verfahren sind noch nicht reif. Bei den Biofuels können Reststoffe genutzt werden, wie beispielsweise Stroh, Abfälle aus der Holzwirtschaft oder Bioquellen, die es zur Genüge in Deutschland gibt. Dann gibt es eine dritte Klasse von CO₂, das sogenannte unvermeidbare CO₂, dieses haben wir beispielsweise bei Zementwerken. Weil das sowieso frei wird, könnte man es einfangen. Das ist technisch machbar, weil da die CO₂-Konzentration viel höher ist als in der Luft. Es ist keine neutrale Situation, aber das CO2 wird doppelt genutzt. Das wäre die nächste Möglichkeit. Ein weiterer Schritt wäre dann eine weltweite Beschaffung, da kann man sich natürlich ganz andere Fragen stellen. Das Königsverfahren ist immer, Kohlenstoffdioxid aus der Luft zu nehmen, aber das ist im Entwicklungsstand noch nicht weit genug.

Wie unterscheidet sich die Produktion strombasierter Kraftstoffe zur Herstellung von herkömmlichem Flugzeugkraftstoff?

Das fossile Kerosin hat den Vorteil, dass es aus dem Boden sprudelt, es muss nur noch aufbereitet werden. Dadurch ist es viel kostengünstiger als strombasierte Kraftstoffe. Bei ihrer Herstellung kommen mindestens zwei Schritte dazu. Zuerst müssen CO₂ und Wasserstoff bereitgestellt werden, dazu wird Strom sowie Biomasse benötigt. Das sind Stoffe, die relativ viel Geld kosten. Anschließend muss auch noch eine Synthese betrieben werden. bis die Aufbereitung zum fertigen Kerosin dann wieder gleich ist. Folglich ist die Herstellung strombasierter Kraftstoffe immer teurer als fossiles Kerosin – das wird auch so bleiben. Und die Biofuels liegen dazwischen. Bei den Biokraftstoffen hat man den fertigen Stoff auf dem Blatt oder in der Biomasse, man muss allerdings die Biomasse verarbeiten und das ist aufwendig. Die sind auch systematisch teurer als das Fossile, sie haben aber einen Arbeitsvorgang weniger als die Strombasierten.

Warum gelten SAF als klimaverträglichere Alternative zu herkömmlichem Kerosin?

Jegliches CO₂, welches aus SAF freigesetzt wird, wurde zuvor in verschiedenen Verfahren aus der Luft genommen. Darüber hinaus sind diese Treibstoffe klimaschonend, weil sie die Möglichkeit bieten, unter anderem die Ultrafeinstaubpartikel drastisch zu reduzieren. Dadurch entstehen weniger Eiswolken, welche ebenfalls eine große Wirkung auf das Klima haben.

Umgangssprachlich sind Eiswolken beziehungsweise Zirruswolken unter dem Begriff Kondensstreifen bekannt. Welche Wirkung haben sie genau?

Diese Wolken sammeln sich um Ultrafeinstaubpartikel des Abgases. Die Eispartikel darin sind viel größer als die eigentlichen Rußpartikel, die sie verursacht haben und reflektieren das Sonnenlicht, das auf die Erde fällt. Dadurch verändert sich der Strahlungshaushalt der Erde. So kommt die Klimawirkung zustande.

Noch ist alternativer Kraftstoff nicht in den nötigen Mengen beziehungsweise zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar. Werden diese in Zukunft das herkömmliche Kerosin vollständig ersetzen können?

Ja, es wird allerdings Jahre dauern. Wir müssen die Verfahren fertig entwickeln und anschließend für die Luftfahrt optimieren. Eine Pilotanlage muss gebaut, erprobt und weitergebaut werden. All das wird Milliarden von Euro kosten. Die Kraftstoffwirtschaft ist komplex und jeder Entwicklungsschritt wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Wir starten einfach zu spät, das ist unser Problem. Wir werden es schaffen, technologisch ist das machbar und auch wirtschaftlich. Wir sollten allerdings keine Zeit mehr verlieren.

Strombasierte Kraftstoffe spielen eine Schlüsselrolle für nachhaltiges und leistungsfähiges Fliegen. Aktuell sind sie noch nicht in den benötigten Mengen verfügbar, um das herkömmliche Kerosin vollständig zu ersetzen. Bildquelle: DLR, CC BY-NC-ND 3.0 Strombasierte Kraftstoffe spielen eine Schlüsselrolle für nachhaltiges und leistungsfähiges Fliegen. Aktuell sind sie noch nicht in den benötigten Mengen verfügbar, um das herkömmliche Kerosin vollständig zu ersetzen. Bildquelle: DLR, CC BY-NC-ND 3.0

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