Das Jahr 2020 lief auch am Flughafen Stuttgart ganz anders als gedacht. Im Interview mit der Geschäftsführung bilanzieren Sprecher Walter Schoefer und Dr. Arina Freitag die vergangenen turbulenten Monate – und geben eine Einschätzung, wie es mit dem Luftverkehr weitergeht.
Dr. Arina Freitag: Wir erleben 2020 die größte Krise der Luftfahrt seit dem Zweiten Weltkrieg. Natürlich ist der STR stark betroffen. Die Zahl unserer Passagiere ist von rund 12,7 Millionen im Jahr 2019 auf etwa drei Millionen gefallen.
Freitag: Voraussichtlich wird nur jeder zehnte Fluggast des Vorjahres über den STR reisen. Das ist aber kein Stuttgarter Einzelfall. An anderen Airports in Deutschland und Europa sieht es ähnlich aus. Das liegt natürlich an der Aufforderung der Regierungen, nicht zu reisen und an den Quarantäneregeln.
Freitag: Wir haben kaum Einnahmen, aber hohe sogenannte Vorhaltekosten für unsere Infrastruktur. Das sind bis zu acht Millionen Euro im Monat. Unsere Liquidität konnten wir über den Kapitalmarkt sichern, die Banken glauben an unser Geschäftsmodell. Das Problem ist nur, dass diese Krise andauert und nach wie vor kein schnelles Ende in Sicht ist. Damit die Flughäfen in Deutschland überleben können, wäre staatliche Unterstützung wichtiger denn je.
Schoefer: Wir können als Airport nicht so einfach schließen und somit Kosten sparen. Wir sind per Gesetz dazu verpflichtet, immer offen zu bleiben, denn wir haben eine Betriebspflicht.
Schoefer: Die Sicherung der Arbeitsplätze hat oberste Priorität für uns. Im Moment gilt für den ganzen Konzern ein Einstellungsstopp, befristete Verträge sind zum Teil schon im Frühjahr nicht verlängert worden. Eine Ausnahme waren im September die Auszubildenden: Alle Azubis, die bereits eine Zusage von uns hatten, durften am STR in ihr Berufsleben starten. Prinzipiell hilft uns das Instrument der Kurzarbeit sehr. Gut, dass wir dieses auch 2021 einsetzen können.
Schoefer: Im Vergleich zu anderen Flughäfen stehen wir ganz gut da. Aber um weiterhin alle Jobs halten zu können, müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenfalls einen Beitrag leisten, etwa die Verschiebung von Gehaltserhöhungen akzeptieren. Auch die Reduzierung der Arbeitszeit wäre eine Möglichkeit. Dafür verzichtet die FSG auf betriebsbedingte Kündigungen.
Schoefer: Ich bin stolz auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben bewiesen, wie flexibel sie sind, unter anderem bei der Teilerneuerung der Runway. Hier haben wir die Krise produktiv genutzt und sind deutlich schneller fertig geworden, als ursprünglich geplant. Das hat uns mehrere Millionen eingespart. Ein anderes Beispiel ist das Corona-Testzentrum, das wir in den Sommermonaten in Terminal 1 West für Reisende aus Risikogebieten mit viel Herzblut aufgebaut haben. In der Hochphase wurden dort täglich rund 2.800 Personen getestet, insgesamt waren es 90.000.
Freitag: Obwohl sich viele Kolleginnen und Kollegen in Kurzarbeit und im Homeoffice befinden, spüren wir großen Teamgeist. Dieser Zusammenhalt zeigt sich ganz schön in dem Video, das wir im Oktober gemeinsam mit der Airline Eurowings zum Jerusalema-Song gedreht haben. Der Clip vermittelt Mut und Zuversicht – das brauchen wir alle in diesen Zeiten.
Freitag: Es ist möglich, dass die Nachfrage nach Geschäftsreisen nicht so schnell wachsen wird. Wir haben uns alle an die virtuellen Austauschmöglichkeiten gewöhnt, und den Unternehmen spart diese Art der Kommunikation einiges an Kosten. Aber: Der Flughafen Stuttgart ist und bleibt wichtigster Airport in Baden-Württemberg.
Schoefer: Wir haben ja schon in diesem Sommer gesehen, dass die Menschen mobil sein wollen – trotz Pandemie. Als die Corona-Beschränkungen gelockert wurden, sind viele unserer Passagiere geflogen. Die Menschen wollen ihre Familien besuchen und endlich wieder außerhalb Deutschlands Urlaub machen – spätestens dann, wenn der Impfstoff für alle da ist. Wir sind auf jeden Fall bereit und freuen uns auf unsere Fluggäste!