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Zollerprobtes Upcycling


Aus Grün mach Blau: Seit einem Jahr fahnden die Zöllner am Stuttgarter Flughafen in neuen Uniformen nach Schmugglern und Steuersündern. Die Beamten freuten sich über den veränderten Look, einige der Auszubildenden fragten sich jedoch: Was passiert mit den ausgedienten Jacken oder den Bezügen der Schutzwesten?

Kulturbeutel statt Schutzjacke

„Wir wollten nicht, dass die alte Kleidung weggeworfen wird“, erzählt Hatice Ulucay, seit 2018 als angehende Kauffrau für Büromanagement beim Zoll am STR. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Hayat Abdallah überlegte sie, wie man die immer noch hochwertigen Stücke verwenden könnte. Sie einfach zu spenden funktionierte nicht, weil die Hoheitsabzeichen und Schriftzüge nicht in den Umlauf gelangen dürfen. „Da kamen wir auf die Idee mit dem Upcycling“, berichtet die 21-Jährige. Und so entstehen inzwischen aus den alten Textilien verschiedene neue Gegenstände: etwa ein kleiner Kulturbeutel aus einer grünen Schutzjacke, der neongelbe Reißverschluss ist den Warnwesten nachempfunden. „Die tragen wir, wenn wir aufs Rollfeld gehen“, erklärt Zoll-Pressesprecher Thomas Seemann, der das Projekt betreut.

Grüne Unikate: Alle Produkte sind handgefertigt, deshalb unterscheiden sie sich allesamt in Größe, Form und Farbe.
Uniformen für die gute Sache
Neues Leben für alte Kleider: Zoll-Pressesprecher Thomas Seemann (links auf dem Titelbild) setzte sich gemeinsam mit den Auszubildenden Hayat Abdallah (rechts) und Hatice Ulucay (links) für das Upcycling-Projekt ein.

Der Weg von der Dienstkleidung zum Upcycling-Produkt war allerdings schwieriger als zunächst gedacht. Mit dem Vertrieb seiner Taschen, Rucksäcke oder Beutel wollte der Zoll keine neue Einnahmequelle erschließen, für die Zusammenarbeit kamen nur soziale Einrichtungen in Betracht. „Wir haben lange nach einem Partner gefahndet, der das Material wäscht, designet und schneidert“, erzählt Hayat Abdallah.  Zunächst wollte der Zoll mit einem lokalen Träger kooperieren. Über vierzig Stellen kontaktierte er dafür, zunächst im Kreis Stuttgart, dann in Baden-Württemberg und schließlich in ganz Süddeutschland. „Aber keine der Angefragten hatte Kapazität für unseren Auftrag“, sagt Abdallah. „Erst als wir bundesweit gesucht haben, fanden wir in Berlin eine Werkstatt, die uns hier unterstützen konnte.“ Nun produzieren Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen die neuen Artikel. Die gesamten Einnahmen des Projekts verbleiben dabei vollständig bei der zertifizierten Werkstätte. Rund tausend alte Uniformen lieferte allein der Stuttgarter Zoll, weitere 15.000 Textilien kamen aus ganz Deutschland dazu.

In dreißig Minuten ausverkauft

Vom Ergebnis sind die Stuttgarter Zollbeamtinnen und -beamten begeistert – wenngleich sie sich anfangs nicht sicher waren, ob die breite Öffentlichkeit ihre Taschen und Rucksäcke kaufen würde. „Style-technisch ist die grüne Farbe mit den reflektierenden Neonakzenten sicherlich nicht jedermanns Sache“, so Hatice Ulucay. „Wir sind deshalb davon ausgegangen, dass hauptsächlich Zöllner die Produkte als Erinnerungsstücke erstehen.“ Doch die Skepsis war unberechtigt – gerade mal dreißig Minuten standen die Rucksäcke online, dann waren alle verkauft. „Nicht nur für Hipster scheinen die handgefertigten Unikate genau das Richtige zu sein“, meint Thomas Seemann. „Außerdem sind sie garantiert hundertprozentig zollerprobt.“


  • Stories STR
  • Simon Kirchgeßner
  • 11/19